7.6
Erste und gewichtigste Einwurf ist aus den vorhergedachten Worten des Apostels heraus gezogen, 2.Korinther 5,18.+19. Gott hatsich uns mit ihm selber versöhnt, durch Jefum Christ: Gott war in Christo, und versöhnte die Welt mit ihm selber, und rechnete ihnen ihre Sünden nicht zu.
Hieraus suchen sie zu schliesen, daß Christus das Werk der Erlösung vollendet bätte, weil er auf Erden gewesen.
Ich antworte: Wenn durch die Versöhnung die Abwendung des Zorns und die Erwerbung derjenigen Gnade, durch, welche wir versöhnt werden können, verstanden wird, so geben wir solches zu. Daß aber an diesem Ort von nichts anders geredet werde, erhellt aus dessen inhalt selbst. Denn wenn der Apostel im Perfecto, oder in der vollkommenen Zeit redet: Er hat uns versöhnt, so redet er von sich selbst und Den Heiligen, welche, nachdem sie die durch Christus erworbene Gnade Gottes erlangt gehabt, durch den Glauben an ihn wirklich, versöhnt worden. Was aber die Welt betrifft, so spricht er: Versöhnende, nicht versöhnt. Welches Versöhnen, ob es schon eine Zeit andeutet, die einiger Massen vergangen ist; so geschieht es doch im Imperfecto, oder in der unvollkommenen Zeit, und zeigt an, daß das angefangene Werk noch nicht gänzlich vollendet sind. Denn dieses Werk fing Christus, zum Besten aller, in den Tagen seines Fleisches an, ja noch lange vorher; denn er war der Mittler vom Anfang, und das Lamm, das vom Anfang der Welt geschlachtet worden. Und in seinem Fleisch, nachdem er das Gesetz, und dessen Gerechtigkeit vollkommen erfüllt, und den Vorhang zerrissen, und allen, beides Juden und Heiden, zu einer klareren und allgemeinen Offenbarung des Evangelium den Weg gebahnt hatte, gab er sich selbst zum vollkommenen Sühneopfer vor die Sünde, welches bei so vielen kräftig wird, als ihn bei seiner innerlichen Erscheinung in seinem Licht in dem Herzen auf- und annehmen. Ferner zeigt eben dieser Ort, daß keine andere Versöhnung gemeint werde, als die Eröffnung der Gnadentür auf Seiten Gottes, und eine Abwendung des Zorns wegen der vergangenen Sünden. Also, daß die Menschen, ungeachtet ihrer Sünden, in einen Stand gebracht werden, darinnen sie vermögend, und fähig sind, die Seligkeit zu erlangen. Denn der Apostet sagt indem folgenden Vers: So sind wir nun Botschafter an Christus Statt, denn Gott ermahner durch uns. So bitten wir nun an Christus Start, lasset euch versöhnen mit Gott. Wäre nun ihre Versöhnung schon so vollkommen vollendet gewesen, was wäre doch dieses Ermahnen und Bitten nötig gewesen, sich versöhnen zu lassen? Abgesandten und Botschafter werden nicht nach einem bereits vollendeten Frieden abgefertiget, daß sie erst da eine Versöhnung erwirken sollen. Denn dieses hält einen offenbaren Widerspruch in sich.
Zweitens wenden sie den 21. Vers im selben Kapitels ein: Denn er hat den, der von keiner Sünde wusste, für uns zur Sünde gemacht, auf daß wir würden in ihm die Gerechtigkeit, die für Gott gilt.
Hieraus schließen sie: Daß, gleichwie unsere Sünde Christo zugerechnet worden, welcher keine Sünde hatte; deshalb uns auch Christi Gerechtigkeit zugerechnet werde, ohne daß wir gerecht sind.
Allein, diese Auslegung ist leicht zu verwerfen. Denn obschon Christus unsere Sünde getragen, und vor uns gelitten, und unter den Menschen vor einen Sünder gehalten, und unter die Zahl der Übertreter gerechnet worden; so ist doch nirgends bewiesen, daß ihn Gott für einen Sünder gehalten habe. Denn es steht von ihm: daß er vor ihm heilig, unschuldig, und unbefleckt, und in seinem Munde Kein 1 trug erfunden worden. Daß wir alles dasjenige, und noch ein weit mehr verdient, welches er aus Gehorsam gegen seinen Vater und nach dessen Rat gelitten, ist zwar gewiss; daß ihn aber Gott jemals für einen Sünder gehalten, wird nimmermehr zugestanden. So ist er auch niemals gestorben, daß wir sollten vor gerecht geachtet werden. Ob wir schon wirklich und in der Tat eben so wenig solche waren, als er ein Sünder war, (wie wir hernach sehen werden.) Denn gewisslich, wenn dieser Beweis anginge, so müsste er sich so weit hinaus erstrecken, daß er den widerlegt. Gottlosen, die gern in ihren Sünden beharren wollen, überaus angenehm wurde. Denn, wenn wir deshalb gerecht gemacht worden, wie Christus zum Sünder gemacht worden, bloß durch die Zurechnung, da keine Sünde, ja nicht die allergeringste in Christo war; deshalb würde folgen, daß in uns eben so wenig Gerechtigkeit, ebenso wenig Seligkeit, und eben so wenig innerliche Heiligung nötig wäre, als in ihm Sünde gewesen. So muß dann dadurch, daß er vor uns zur Sünde gemacht worden, dieses verstanden werden, daß er für unsere Sünden gelitten hat, damit wir der durch ihn erworbenen Gnade teilhaftig gemacht würden; als durch deren Wirkung wir die Gerechtigkeit Gottes in ihm gemacht werden. Denn daß der Apostel allhier eine solche Rechtfertigung, da einer wirklich gerecht gemacht wird, und nicht nur eine zugerechnete, da einer nur vor gerecht geachtet wird, verstehe, erhellt aus dem, was hernach folgt. Angesehen er im 14. 15. und 16.Vers des folgenden Eapitels wider alle vermeinte Übereinstimmung des Lichts und der Finsterniß, der Gerechtigkeit und Ungerechtigkeit, sehr weitläuftig schliesset. Welches allerdings muß zugegeben werden, wenn die Menschen bloß durch eine zugerechnete Gerechtigkeit gänzlich ohne ihnen, weil sie wirklich noch ungerecht sind, als solche die in Christo eingepfropft, und vor seine Glieder können gebalten werden. Und gewiss, es befremdet einen, wie einige dieses zu einem solchen Grund-Artikel ihres Glaubens machen können, welches dod dem ganzen Innhalt des Evangelium schnur-stracks zuwider läuft; maffen es eine Sache ist, worauf Christus in allen seinen Predigten und liebreichen Reden die Menschen niemals zu verweisen weisen gesucht, daß sie sich darauf verlassen sollten, sondern ihnen allezeit die Werke als etwas Werkzeugliches bei unserer Rechtfertigung angepriesen. Und worüber sich am meisten zu verwundern, weil diese Redensart, oder dieses Wort, (so sie so oft im Munde führen, und als der Grund ihrer Hoffnung und Zuversicht so vielfältig eingeschärft wird,) nämlich die zugerechnete Gerechtigkeit Christi, in der ganzen Bibel (zum wenigsten so viel ich darinnen angemerkt habe,) nirgends zu finden ist. Also bin ich den ersten Teil, und zwar desto kürzer, durchgegangen, weil viele, welche diese Rechtfertigung durch bloße Zurechnung behaupten, nichts destoweniger bekennen, daß auch die Auserwählten nicht eher gerechtfertigt sind, bis sie sich bekehrt und Busse getan haben, das ist, nicht eher, bis ihnen diese zugerechnete Rechtfertigung durch den Geist zugeeignet wird.
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Hebr.5,26. 1.Petr. 2,22 ↩︎